Sehnsuchtsziel
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Sehnsuchts-Ziele sind direkt unerreichbare Ziele, mit denen die Klienten emotional stark identifiziert sind.
Beispiel für Ziele:
- "Dann ist die Marktlage wieder besser"
- "Dann ist mein Job wieder sicher"
- "Dann werde ich nicht mehr gemobbt"
- "Dann ist meine Beziehung wieder stabil"
Zwickmühle für die Klienten:
- sich verabschieden müssen von den Sehnsuchts-Zielen um handlungsfähig zu werden
- dies emotional nicht akzeptieren können
Gefahr für die Berater: Berater wird in eine Zwickmühle hineingezogen:
- Eingehen auf Ziele: Beitrag zum Scheitern und Inkompetenzerleben
- Zurückweisen der Ziele: Enttäuschung der Klienten
Schematischer Ablauf
1. | Würdigung des "Sehnsuchts-Zieles" als einzig sinnvoll. |
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2. | Würdigung der großen Frustration der Klienten, da diese nicht erreicht werden können. "ungerecht" |
3. | Prüfen bisheriger Lösungsversuche auf unterschiedliche Auswirkungen. (Skalierungen!) |
4. | Meta-Kommunikation der Zwickmühle: Angesichts der Restriktionen könnten andere Ziele sinnvoll sein. Aber Ambivalenzen würdigen. |
5. | Jeder Beratung nur Zweitbestes im Verhältnis zum "Sehnsuchts-Ziel". Verständnis der Ablehnung. Würdigung der Ausrichtung auf Zweitbestes. |
6. |
Aufbau von Zielen, die selbst verwirklichbar sind:
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7. | Würdigung der Ausrichtung auf Zweitbestes. Würdigung der Ambivalenzen, auch der Ausrichtung auf das "Sehnsuchts-Ziel" |
Anleitung
- Der Berater würdigt ausdrücklich die bisherigen Ziele. Ich bezeichne sie gerne als "Sehnsuchts-Ziel", denn sie sind mit starker emotionaler Sehnsucht besetzt, und er drückt sein Verständnis dafür aus, dass man nur das und nichts anderes will und einem zunächst alles andere nicht sinnvoll erscheint (wirkt gleichzeitig auch als "Pacing").
- Und er würdigt weiter die große Frustration der Klienten darüber, dass diese Ziele nicht erreichbar sind, und dass dies durchaus ungerecht für die Klienten ist.
- Nun werden die Klienten eingeladen, ihre bisherigen Lösungsversuche dafür, ihr Ziele zu erreichen, auf Auswirkungen zu prüfen. Dabei wird die Absicht dieser Lösungsversuche sehr anerkannt. Praktisch immer zeigen sich die hauptsächlich genutzten Lösungsversuche als nicht effektiv, sondern eher als noch problemverstärkend. Es sollte aber immer nach Variationen gefragt werden, am besten mittels Skalierungen, die schnell unterschiedliche Erfahrungen auffindbar machen. ...
- In Meta-Kommunikation könnte der Berater nur anbieten, dass es nach diesen Erkenntnissen ja empfehlenswert wäre, sich andere Ziele aufzubauen. Denn die erlebte Situation, so unerwünscht sie sein mag, lässt sich offensichtlich zurzeit nicht direkt verändern, stellt also wenigstens im Moment eine Restriktion dar. Sofort aber sollte er alle Ambivalenzen, die gegen alternative Ziele auftreten könnten (und dies geschieht meist unmittelbar), würdigen und ausdrücken, dass er verstehen kann, wenn man die Klienten dennoch an den bisherigen Zielen festhalten wollen, da ja so viel berechtigte Sehnsucht damit verbunden ist. Dass dies allerdings auch heißen könne, dass dann die Beratung nicht hilfreich werden könne, auf andere Art aber sehr wohl sehr hilfreich wirken könnte. Hier kann es auch sehr nützlich sein, die Zwickmühle der Berater (siehe oben) offen zu kommunizieren.
- Jetzt weist der Berater darauf hin, dass unter diesen Restriktions-Bedingungen jede noch so hervorragende Beratung eigentlich immer nur "Zweitbestes" (im Verhältnis zum Sehnsuchts-Ziel) oder eben nichts wolle, dass dies aber dann leider zur Wiederholung der Problemmuster führen würde und Beratung ja dann nicht sinnvoll werden könne. Dies würdigt die Ambivalenzen der Klienten, es führt praktisch immer aber dazu, dass die Klienten dann autonom abwägen und sich für die Entwicklung von "Zweitbestem" entscheiden. Dies sollte wieder explizit gewürdigt werden, und als Zeichen der großen Flexibilität der Klienten gewertet werden (Kompetenz-Framing).
- Nun sollte dazu eingeladen werden, solche Ziele aufzubauen, die tatsächlich selbst verwirklichbar sind. Dafür erweisen sich zwei Gestaltungsfelder als hilfreich:
- Einladung dazu, den Umgang mit der ungewünschten Restriktion zu optimieren. Hierfür könnten Interventionen wie der Aufbau des optimalen Steuerungs-Ichs, geschützter Erlebnisräume, Problem-Lösungs-Gymnastik etc. (...) sehr gut genutzt werden. Zusätzlich bewähren sich Konzepte wie die des "Polynesischen Segelns" (...) und der "Effectuation" (Sarasvathy 2001). Diese zielen darauf ab, bei unklaren oder unsicheren Zielen die Hauptaufmerksamkeit auszurichten auf Fragen wie "Wer bin ich?" (stimmige Werte und Identität), "Was kann ich?" (Fokus auf bewährte Kompetenzen) und "Wen kenne ich?" (Fokus auf hilfreiche Netzwerke).
- Muster suchen, welche die Wahrscheinlichkeit (nicht die Sicherheit) erhöhen, doch noch etwas für das Gewünschte (das "Sehnsuchts-Ziel") tun zu können. Dieser zweite Gestaltungsbereich ist nicht immer realisierbar, er sollte deshalb jeweils kritisch auf Umsetzbarkeit geprüft werden.
- Der Vergleich der Unterschiede im bisherigen Erleben (siehe Schritt 3) ergibt wieder wertvolle Hinweise auf bisher schon praktizierte hilfreiche Muster (Lernen von sich selbst).
- Mit solchen Interventionen entwickeln Klienten oft erstaunlich schnell wieder mehr Gelassenheit, Übersicht und Kraft und gehen in nun kleinen Schritten (immer hilfreicher!) ihre Möglichkeiten mit mehr Zuversicht und Kompetenzerleben an. Gerade dann aber sollte ein Berater sie immer wieder würdigend dabei begleiten, indem er immer wieder darauf hinweist, dass es enorme Flexibilität und Souveränität beweist, wenn die Klienten das tun, denn immerhin ist alles, was sie tun können, im Hinblick auf das "Sehnsuchts-Ziel" auch weiter nur Zweitbestes. Und er sollte unbedingt wieder auftauchende Ambivalenzen und die Impulse, sich auch immer wieder mit den Sehnsuchts-Zielen zu identifizieren, dann wertschätzen als "würdigende Mahnmal Rituale" dafür, dass eigentlich das Sehnsuchts-Ziel das gerechtere wäre. Erst dann kommt nach unserer Erfahrung ein nachhaltiges Engagement für selbst erreichbare Ziele zustande, verbunden mit ganzheitlicher Würdigung der Klienten. (GS-IgK 79f)