Dualseele
Einige Menschen machen die erstaunliche Erfahrung, einem Menschen zu begegnen, zu dem sie sehr schnell eine gegenseitige Vertrautheit spüren, als seien sie sich schon einmal begegnet. Bisweilen entwickelt sich zwischen den beiden eine Beziehung, ein tiefer gegenseitiger Austausch, der geprägt ist von Achtung und Liebe. So beglückend und bisweilen heilsam eine solche Begegnung sein kann, sie schafft auch Probleme, besonders wenn einer oder gar beide bereits in einer Beziehung gebunden sind, vielleicht Kinder haben.
Manche sprechen hier von zwei Dualseelen und entwickeln gewagte, nicht überprüfbare Hypothesen zu ihrer Entstehung, z.B. Erinnerungen an frühere Inkarnationen, oder Verdoppelung einer Seele. Manche trennen sich von ihren bisherigen Partnern und versuchen, eine Beziehung mit dieser „Dualseele" zu leben. Nicht selten ist das doppelt leidvoll: die bisherige Partnerschaft - u.U. mit Kindern - leidet, aber auch die so ersehnte Dualseelen-Beziehung erweist sich oft in der Realität des Alltags als Illusion.
Durch eine Kollegin wurde ich auf dies Phänomen hingewiesen - das in „esoterischen Kreisen" anscheinend sehr bekannt ist. Eine Klientin litt unter einer Dualseelenbeziehung. Bei genauerer Überprüfung stellte sich heraus, das diese Klientin früh einen Zwilling verloren hatte - von dem sie bisher nichts wusste. Nachdem sie sich in einer Aufstellung von diesem Zwilling verabschieden konnte, verlor die „Dualseele" ihre Anziehung. Ich selbst konnte bei einer Klientin mit „Dualseele" das gleiche Phänomen beobachten.
Ich vermute, was in jedem einzelnen Fall überprüft werden kann, dass hinter diesem Phänomen bei einem - oder gar bei beiden? - das Phänomen eines verlorenen Zwillings steht. Menschen mit verlorenem Zwilling können sich extrem schlecht abgrenzen, sie sind sehr „spürig", haben eine tiefe Sehnsucht nach einer symbiotisch verschmelzenden Beziehung. Leider ist aber auch die Symbiose mit einer „Dualseele" mit dem üblichen Leid einer Symbiose verbunden. In der Realität unseres Alltags scheint eine erwachsene, abgegrenzte Beziehung, bei der beide möglichstautonom und selbstverantwortlich sind, sehr viel „tauglicher" zu sein.
Daher die Empfehlung: wenn jemand einer „Dualseele" begegnet, sollte er es sich gut überlegen, ob er für diese anscheinend ideale - aber vielleicht illusionäre, nicht belastbare - Beziehung bereit ist, seine „durchschnittlich gute", aber reale Beziehung aufzugeben. (Ero Langlotz: Newsletter Oktober 2013)