Verlorener Zwilling

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immer wieder habe ich Klienten, die schon sehr vieles durch Aufstellung geklärt haben, und immer noch ist etwas Wesentliches ungelöst. Wenn sie sich extrem schlecht abgrenzen können, wenn sie so etwas arglos-unschuldiges haben - wie ein Wesen von einem anderen Stern, dann wende ich bestimmte „Testfragen" an, um zu prüfen, ob sie vielleicht einen Zwilling verloren haben. - Da weder sie selber noch die Mutter davon etwas wissen, wird das Zwillingsthema oft übersehen. -

Klienten, die eine Zwilling verloren haben, befinden sich häufig mehr im „Raum" des verstorbenen Zwilling als im eigenen. Und sie übernehmen die „Themen" des Zwillings, der im Leben nicht ankommen konnte. Oft kennen sie das Gefühl

  • keinen Platz in ihrer Familie zu finden - „wie adoptiert"
  • keinen Platz im Leben zu finden,
  • sich anderen Welten mehr verbunden zu fühlen als der Alltagsrealität.

Und oft kennen sie das Thema Tod: Todessehnsucht, Todesangst oder Nahtoderfahrungen. Durch eine Aufstellung kann dies Phänomen geprüft, und gegebenenfalls auch gelöst werden. Meist ist das verbunden mit sehr heftigen Gefühlen. Hier die Rückmeldung einer Klientin.

„Verlorener" Zwilling

Rückmeldung nach einer Woche

Ich bin zwar in einem ziemlichen Wechselbad der Gefühle, von fröhlich über stumpf bis todtraurig, aber irgendwie kann ich es gut aushalten und einfach so sein lassen. Ich habe nicht mehr den sehnsüchtigen Wunsch, dass mir irgendjemand helfen muss. Ich fühle mich auch alleine stark genug - das ist ein ganz neues Gefühl für mich. Bei dem nächsten Seminar möchte ich gerne meine Mutter aufstellen und ihr meinen Zwilling vorstellen, in Zusammenhang mit dem Thema "Ankommen im Leben". Ich bin wirklich sehr froh, dass ich anscheinend mein "Thema" - oder wie immer man es nennen will - gefunden habe. Ich war ja mein ganzes Leben im Prinzip in Therapie, ich habe alles mögliche ausprobiert, aber ich bin nie wirklich weiter gekommen. Erst jetzt durch die Arbeit bei und mit Dir verstehe ich, was mit mir los ist. Und das ist so erleichternd. Ich habe ja wirklich oft gedacht, ich ticke einfach nicht richtig. In meiner Familie gibt es auch ausreichend "Bekloppte", und da dachte ich, es liegt vielleicht auch an der Erbmasse.

Einige Tage später: es geht mir wirklich so gut - es ist unglaublich. Ich f&u! uml;hle mich sehr stabil - so habe ich mich noch nie gefühlt. (Ero Langlotz, NewsletterJuli 2014)

Rolle des verlorenen Zwilling?

Manche, die in einer Aufstellung ihren verlorenen Zwilling entdecken, wundern sich darüber, wie tief sie sich verbunden fühlen, wie schwer es fällt, den Zwilling loszulassen. Manchen scheint es geradezu unmöglich, sich dem Leben ohne unbelastet zu zu wenden, so als stünde ihnen das gar nicht zu, da doch der Zwilling schon nach kurzer Zeit wieder gegangen ist.

In einer Aufstellung tauchte dazu ein interessanter Gedanke auf, der für alle beteiligten sehr entlastend war: Vielleicht wollte der „verlorene" Zwilling seinen Zwilling beim Schritt in die neue Inkarnation begleiten? Um ihn bei diesem - vielleicht nicht leichten - Schritt zu unterstützen.

Wie auch immer es sein mag, diese Vorstellung machte es dem überlebenden Zwilling sehr viel leichter, sich dem Leben zu zu wenden. (Ero Langlotz: Newsletter August 2013 III)

Zwillingsthema

In letzter Zeit begegne ich vermehrt dem Zwillingsthema.

Dabei wird immer deutlicher, dass der Verlust eines Zwillings sehr heftige Symbiosemuster auslösen kann. Alle Beziehungen können durch so ein heftiges Symbiosemuster geprägt sein. Auch die Beziehung zu einem Geschwister! Ich habe jetzt mehrfach beobachtet, dass Betroffene auch bei ihren Geschwistern „auf deren Boot" gehen, ihnen ihr Selbst ersetzen. Ohne eigenen Raum, unverbunden mit dem Selbst steht ihnen sozusagen der „Autonomiemodus" und damit die Möglichkeit einer erwachsenen, Ich-Du-Begegnung gar nicht zu Verfügung. Für di! e betroffenen Geschwister ist das ein bisschen lästig, wenn man ihnen zu nahe auf die Pelle rücken, und vielleicht auch etwas „besserwisserisch" ist.

Aber auch wenn der Zwilling lebt, scheint es gelegentlich typische Probleme zu geben. Ich habe jetzt zweimal erlebt, dass Betroffene sich „als Teil eines Zwillingspaares" identifizieren, d.h. dass sie sich nicht ohne Zwilling vollständig fühlen können. In einem Fall schien es so, dass sich der Betroffene immer wieder einen „Ersatz-Zwilling" suchte, mit dem er sehr verbunden war und dem gegenüber er sich nur schwer abgrenzen konnte. Eine zeitlang war der älteste Sohn an diesem Platz und das führte zu erheblichen Komplikationen. (Ero Langlotz: Newsletter März 2013 II)

Verlorener Zwilling und Bruderbeziehung!

Jürgen, ein ca. 40-jähriger Mann, hatte bereits seinen verlorenen Zwilling entdeckt und verabschiedet. Nun möchte er die Beziehung zu seinem 4 Jahre älteren Bruder klären. Er glaubt an dessen Stelle zu stehen.

Beide Eltern wurden pflegebedürftig, kamen ins Heim. Die ganze Organisation lag auf seinen Schultern, der Bruder liess ihn im Stich. Das machte ihn wütend.

Bei der Beziehungsklärung wurde deutlich, dass er am Platz vom Selbst des Bruders war und gleichzeitig Lotse auf dessen Boot - so als wisse er besser, was der Bruder zu tun habe. Das entspricht einem ausgeprägten Symbiosemuster, wie es beim Zwillingsthema die Regel ist. Ohne eigenen Raum, unverbunden mit dem eigenen Selbst ist Kontakt nur im „Symbiosemodus" möglich. Das prägte wohl auch seine Beziehung zu den Eltern.

Der Repräsentant des Bruders spürte am Anfang eine Vorwurf von J. Als J schrittweise die übernommenen Rollen ablegte, sich mit sich selber verband, sagte er spontan zu ihm „I mog di!" Am Schluss konnten sich beide herzlich umarmen.

Mir kam die Idee, dass J seinem älteren Bruder die verlorene Zwillingsschwester vorstellen könnte. „Das ist meine verlorene Zwillingsschwester, vielleicht war ich mehr bei ihr als bei mir, und konnte deshalb auch nicht als Bruder bei dir sein!"

Der Bruder war tief berührt, schaute seine Schwester an, die er nicht kennen gelernt hatte, die er nicht verabschieden konnte, und umarmte sie mit Liebe.

Nun war J sehr bewegt, eine innige Liebe zwischen den beiden Brüdern wurde deutlich, die vorher durch das Zwillingsthema verdeckt war. (Ero Langlotz: Newsletter Februar 2013 II)