Reinkarnation

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„Reinkarnation" des vor ihm gestorbenen Grossvaters?

Robert, 30 Jahre, gross, kräftig, selbstbewusst wirkend, möchte seine „Fressucht" aufstellen. Er hat kein Geschwister verloren, beide Eltern haben kein Geschwister und keinen Elternteil früh verloren, er hat keine Gewalt erlebt. Die Familien-Anamnese scheint „leer".

Ich frage eine anwesende Therapeutin, ob sie eine Idee h! abe? Sie arbeitet auch kinesiologisch und schlägt vor, mit Hilfe des „Armtestes" zu überprüfen, ob und welches der Eltern oder Grosseltern da verantwortlich sein könnten. Obwohl ich von den Ergebnissen einer solchen Testung nicht immer überzeugt bin, bitte ich sie darum, und sie kommt auf den Grossvater väterlicherseits.

Robert: „klar, der starb vor meiner Geburt, der hat die Familie durch seine Alkohol- und Nikotin-Sucht fast zerstört - und ich bin seine Reinkarnation."


In einer Aufstellung wird deutlich, dass Robert mit dem Grossvater - den er selbst nie kennen gelernt hat - identifiziert ist. Er war als Kind oft bei der Grossmutter, und die hatte ihm vom Grossvater erzählt, der ihr immer gefehlt hatte - obwohl er durch seine Alkohol- und Nikotinsucht die Familie in grosse Schwierigkeiten gebracht hatte. Vielleicht hatte ja auch die Grossmutter in ihrem kleinen Enkel so etwas wie einen Ersatz für den verlorenen Mann gesehen?


Kommentar

Wir wissen, dass Kinder für solche „Projektionen" ihrer Bezugspersonen sehr empfänglich sind und dazu neigen, sich damit zu identifizieren. Ausserdem war das tragische und verhängnis-volle Schicksal des Grossvaters sozusagen „energetisch aufgeladen". Wir sehen immer wieder, welch eigenartige Faszination ein derartiges Schicksal auf Kinder hat, sie geradezu dazu einlädt, sich mit einem solchen Schicksal zu identifizieren. Das hat zur Folge, dass die Betroffenen nicht mit ihrem „wahren Selbst" verbunden sein können, dass sie einzelne Elemente des fremden Schicksals übernehmen, als gehörten sie zu ihrer eigenen Identität. Oft ist diese Identifikation, diese fehlende Unterscheidung zwischen Eigenem (Selbst) und Fremden verbunden mit einer Einschränkung der Abgrenzungsfähigkeit. Die Betroffenen neigen zu symbiotischen Beziehungen.

Fatal scheint mir, wenn eine derartig verwirrende und mit Leid verbundene Identifikation von den Betroffenen und ihren Familien als Reinkarnation gedeutet wird. Man mag von Reinkarnation halten was man will, aber diese Anwendung auf Beziehungen zu Mitgliedern der Familie - wie sie in manchen „esoterischen" Kreisen verbreitet ist - erscheint mir als zusätzliche Verwirrung, so als sollte dadurch das Leid auch noch verschleiert und verklärt werden.

Noch verwirrender ist es, wenn eine Mutter, die früh ein Kind abgetrieben hat, ein späteres Kind als Reinkarnation des abgetriebenen Kindes versteht. Einmal nimmt sie dadurch der Abtreibung ihren Ernst, verweigert dem ersten Wesen den Abschied mit Schmerz und Trauer. Zum anderen belastet sie ein späteres Kind mit dem Schicksal des abgetriebenen, und trägt so mit dazu bei, dass das spätere Kind sich mit dem abgetriebenen früheren identifiziert - mit all dem Leid und der Verwirrung, die damit verbunden ist. (Ero Langlotz, NewsletterJuli 2014 III)