Ich kann meine Arbeitsstelle nicht kündigen!

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Eine etwa 40-jährige Frau kommt zum Therapieseminar, weil sie ihre Arbeit nicht kündigen kann. Sie fühlt sich zunehmend unwohl in der Arbeit, fühlt sich erschöpft, ausgelaugt. Sie hat schon zweimal eine neue Arbeitsstelle angeboten bekommen, zu günstigen Konditionen, aber dann konnte sie nicht zusagen, weil sie ihrer alten Firma nicht kündigen kann. In der Aufstellung steht sie der Arbeit dicht gegenüber, ihr „erwachsenes Selbst“ stellt sie zwar neben sich. Aber es spürt keine Verbindung zu ihr und zieht sich in eine Ecke des Raumes zurück. Es zeigt sich, dass sie nicht nur identifiziert ist mir der Arbeit, sondern auch mit dem „spirit“ der Arbeit: An diesem Platz strahlt sie, das ist das „heimliche Glück hinter dem Leid“. Sie glaubt, das Wesen, die Essenz (das „Selbst“) der Arbeit erfasst zu haben, mehr als ihre Kolleginnen und sogar als der Chef – und fühlt sich diesen dadurch überlegen. So als sei es ihre Aufgabe, diesen den „spirit“ der Arbeit erklären zu müssen! Und sie gibt der Arbeit den zentralen Platz in ihrem Leben. So wird die Arbeit zum Introjekt, welches dem eigenen Selbst – das sich auch ohne diese Arbeit frei und vollständig fühlen kann - keinen Platz mehr lässt.

Zunächst ist sie nicht bereit, diese Rollen abzulegen, die sie daran hindern, sich mit ihrem Selbst zu verbinden – so als verlöre sie dadurch ihre Identität. Offensichtlich kennt sie keine Alternative. Das ist wie eine Falle, aus der die Betroffenen alleine nie herausfinden können. Dann ist die völlige Erschöpfung die einzige Chance, die Zusammenhänge zu erkennen.

Ich mache ihr den Vorschlag, sich sozusagen probeweise auf einen Lösungsprozess einzulassen. Wenn das Ergebnis sie nicht überzeuge, könne sie ja alles wieder vergessen. Sie geht darauf ein. Und schrittweise gelingt es ihr, sich aus dieser heftigen Identifikation mit der Arbeit zu lösen. Ihr erwachsenes Selbst – der Teil von ihr, der selbstbestimmt ist, der sich ohne Schuldgefühle abgrenzen kann - war ihr völlig unbekannt („noch originalverpackt“). Da ihre Familie diese Seite von ihr abgelehnt hatte, konnte sie keine Verbindung mit ihm bekommen. Am Schluss kann sie eins sein mit sich selbst – statt mit der Arbeit. Sie kann sich kraftvoll gegenüber der Arbeit abgrenzen – und strahlt. (Ero Langlotz: Newsletter: Mai 2015 II)