Der Groll auf den eigenen Sohn
Ein etwa 60-jähriger Mann kommt zur Beratung. Er habe viel Kraft, aber er verliere schnell seine Energie. Eine Heilpraktikerin habe ihm gesagt, er habe da ein „Energie-Leck". Offensichtlich - das zeigt auch das Autonomiediagramm - hat er massive Abgrenzungsprobleme, an denen er seit 20 Jahren therapeutisch arbeitet. Eine Überidentifizierung mit seinem Beruf - mit dem Risiko des Burnout - haben wir durch Aufstellung bewusst gemacht und gelöst. Spontan berichtet er, dass er mit seinem Sohn verstritten ist - mit dem er besonders nah verbunden war. Er ist mit dessen Wahl seiner Partnerin nicht einverstanden, kann ihm zur bevorstehenden Hochzeit nicht „seinen Segen geben".
Bei der Überprüfung seiner Beziehung zum Sohn wird schnell deutlich, dass er sich im Raum des Sohnes „zuständig" fühlt, dass er sich als der „bessere Kapitän" auf dessen Boot fühlt. Er machte sich Vorwürfe, dem Sohn gegenüber einiges versäumt zu haben, und wollte das nun wieder gutmachen - ein Teufelskreis. Er glaubte sogar, ihm sein „Selbst" ersetzen zu müssen. (Testfrage: kann es sein, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen um mit tausend Antennen zu spüren, was ihr Sohn braucht, um wirklich glücklich zu sein?)
Nach der Abgrenzung ist er ganz erleichtert. Durch die Schaffung einer „gesunden Distanz" hat er wieder mehr Achtung, sowohl für sich selbst als auch für seinen Sohn. Er kann wieder Liebe zu ihm spüren. Und er! kann ihm und seiner Partnerin den Segen geben. Die Verantwortung für deren gemeinsames Glück - die er sich „angemasst" hatte - liegt nun nicht mehr bei ihm! (Ero Langlotz, NewsletterJuli 2014 II)