Abgrenzung gegenüber der pflegebedürftigen Mutter
Meine Mutter (92) im Pflegeheim ist in eine Art von Sturheit verfallen, die mit Trink- und Essensverweigerung gepaart ist. Wir stehen vor Fragen, die unser ganzes moralisches System betreffen und dazu unseren Respekt vor evtl. Entscheidungen ihrerseits - oder möglicherweise Auswirkungen des Trinkdefizits usw. Das trifft mich ins Mark, eine Situation, die ich noch nie im Leben hatte, wenn ich auch schon oft darüber nachdachte.
Ich vermutete, dass die Mutter einfach „gehen" möchte, und dass die Angehörigen sie daran hindern, und empfehle eine Abgrenzungsarbeit. Eine Woche nach der Abgrenzung von der Mutter kommt die Rückmeldung:
Ich bin im aufrechten Gang nach Haus gegangen und habe mich sofort (wieder?) als erwachsener Mensch gefühlt. Dieses Gefühl kannte ich schon, es war mir aber in den letzten Tagen verloren gegangen - eine wichtige Erfahrung vor so einer Befürchtung des Todes der Mutter. Mit ist klar, wie weit meine "Pflicht" geht, nicht weiter nämlich , als ich leisten kann und möchte. Und ich habe schon weit mehr als getan, als ich kann, wenn auch aus ihrer Sicht wohl nie genug. Aber darum geht es nicht, denn „unter Panthern" verteidigt man seine Grenze, um gesund bleiben zu können, und nicht wegen irgendwelcher symbiotischer vermeintlicher Verpflichtungen selber krank zu werden. Wenn ihr Leben beendet ist, ist es ihre Aufgabe zu gehen. Ich bleibe noch ein wenig und erfahre dann, wie mein Alter aussehen wird. Ich danke Dir von ganzem Herzen, die Abgrenzung gegenüber meiner Mutter hat mich befreit! Das fühlt sich wunderbar an.
Konkret bedeutet das für mich: Ich gehe auch nicht öfter zu ihr als all die Jahre ihrer Krankheit, ich bleibe innerlich in Distanz und wünsche ihr von Herzen eine gute Reise - wenn es für sie soweit ist. (Ero Langlotz, NewsletterJuli 2014 II)